Nigeria: Ölexporteur auf Schuldenabbaukurs

Nigerias Regierung setzt auf Fiskaldisziplin, doch die Verwundbarkeit gegenüber externen Schocks bleibt

Nigerias Staatspräsident Bola Tinubu
Nigerias Staatspräsident Bola Tinubu

Förmlich vor Selbstbewusstsein strotzt die Regierung Nigerias angesichts der vorfristigen Rückzahlung der letzten Außenstände beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Summe von 3,4 Milliarden US-Dollar wurde vor wenigen Tagen vollständig beglichen, wie die Finanzinstitution in Washington bestätigte. Fällig wären die Kredite erst 2029 gewesen. Von einem »Meilenstein für Nigeria« sprach Präsidentenberater O’tega Ogra bei der Verkündung. »Wir sind in der Lage, aufrecht zu stehen und unsere finanzielle Zukunft zu unseren eigenen Bedingungen zu gestalten.«

Der Schritt ist von großem symbolischen Wert für die Regierung, denn Schulden beim IWF werden im globalen Süden mit Souveränitätsverlust gleichgesetzt. Zudem hat Staatspräsident Bola Tinubu dem Land Fiskaldisziplin verordnet, die auch eine proaktive Schuldenreduktion beinhaltet. Dies soll nach Angaben von Ogra eine langfristige Wirtschaftsplanung ermöglichen, die Kreditkosten senken und das Vertrauen der Investoren stärken.

Das bevölkerungsreichste Land Afrikas hatte sich im Jahr 2020 während der Corona-Zeit beim IWF Geld geliehen. Der Währungsfonds stellte Kredite zu günstigen Konditionen zur Verfügung, um armen Ländern bei der Bewältigung der Pandemie und der Lockdowns zu helfen. Nigeria war hart vom Einbruch der Rohstoffpreise getroffen worden, was sich massiv auf die Staatsfinanzen auswirkte und die Wirtschaft in eine Rezession stürzte. Mittlerweile sprudeln die Öleinnahmen wieder, wie die überraschende Kredit-Rückzahlung deutlich macht.

Gleichzeitg zeigt der Vorgang, wie anfällig der größte Ölexporteur Afrikas für Schwankungen am Weltmarkt ist. Laut einem aktuellen Afrika-Bericht der Unctad steht besonders Nigeria derzeit »im Epizentrum sich überschneidender globaler Krisen«: wirtschaftliche Schocks, geopolitische Spannungen und klimawandelbedingte Naturkatastrophen. Die UN-Organisation regt stärkere regionale Handelsnetze an, um die Abhängigkeit von externen Märkten zu verringern – auch mit Blick auf die neue US-Zollpolitik. Bei Nigeria kommt hinzu, dass die Wirtschaft auf die Förderung eines fossilen Brennstoffs ausgerichtet ist, die früher oder später enden wird.

Aufgrund der wirtschaftlichen Stärke hat Nigeria im Unterschied zu ärmeren afrikanischen Staaten aber wenig Probleme, sich im Ausland mit frischem Geld einzudecken. Ende 2024 hatte das Land Auslandsschulden von 44,9 Milliarden Dollar angehäuft. Mehr als ein Drittel davon machten Staatsanleihen in fremder Währung aus, die teils hochverzinst sind. Hauptgläubiger ist die Weltbank, während China im Zuge der Finanzierung von Infrastrukturprojekten mittlerweile mit Abstand größter bilateraler Kreditgeber ist.

Das Bündnis Erlassjahr.de weist indes auf den »drastischen Anstieg« in den vergangenen Jahren hin. 2005 betrug die Summe nur rund 8 Milliarden Dollar, nachdem der Pariser Club westlicher Regierungen und private Gläubiger Nigeria knapp 70 Prozent seiner Schulden erlassen hatten. Inzwischen ist auch der Schuldendienst wieder in die Höhe geschnellt: Wie die Zentralbank kürzlich mitteilte, wurden von der Regierung in Abuja allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres rund zwei Milliarden Dollar ins Ausland gezahlt, ein Plus von 49 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig sanken die Devisenreserven spürbar.

»Nigeria braucht dringend ein verbessertes Steuer- und Einnahmenregime sowie eine Diversifizierung der wirtschaftlichen Aktivitäten weg von der Fokussierung auf den Ölexport«, heißt es daher bei Erlassjahr.de. Daran ändert auch nichts, dass Shell 2024 immerhin 5,34 Milliarden Dollar Steuern, Lizenzgebühren, Abgaben und Produktionsrechte an Nigeria zahlte – die höchste Einzelsumme des britschen Ölmultis an ein einziges Land. Allerdings will sich der Konzern in der Niger-Delta-Region, die aufgrund massiver Umweltverschmutzung und der Repression gegen Proteste in den Schlagzeilen ist, aus der Onshore-Förderung zurückziehen.

Die extreme Abhängigkeit vom Öl macht Nigeria verwundbar, auch wenn das Land erstmals seit vielen Jahren nicht mehr in der Schuldnerliste des IWF auftaucht, die derzeit 91 Staaten umfasst. Auch der Fonds selbst kommt zu einer gemischten Bewertung: »Die nigerianischen Behörden haben wichtige Schritte unternommen, um die Wirtschaft zu stabilisieren, die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen und das Wachstum zu fördern«, sagte Axel Schimmelpfennig, Leiter eines IWF-Teams, vor wenigen nach Konsultationen mit der Regierung. Und bemängelte zugleich, dass »Armut und Ernährungsunsicherheit nach wie vor hoch sind«.

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